„Rot ist die Hauptstadt“ Krimi

Ich schreibe seit einigerzeit an einem Krimi und stelle Euch hier mal eine Leseprobe (unkorigiert und unregidiert) zur Verfügung. Bin für jedes Feedback dankbar. Viel Spass beim lesen 🙂

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Kapitel eins:  Die Frage

Tropf, topf, gluck, gluck. Das Geräusch vermischte sich langsam mit seinen verschwommenen Traumbildern. Es wurde immer lauter hörbar, bis die Geräuschkulisse die Bilder ganz verdrängten. Langsam spürte Pierre seinen Körper wieder, und er war zurück. Zurück in seinem Bett! Die Geräusche um ihn herum wurden langsam lauter. Die Stimmen der Kinder auf dem Weg zur Schule, der Regen und der morgen Gesang der Vögel draussen lösten nahtlos seine Traumbilder mit der Realität ab und wurden langsam greif- und fühlbar! Pierre lag mit geschlossenen Augen in seinem Bett. Er weigerte sich krampfhaft, die Augen zu öffnen und so wieder in seine Realität einzutauchen.

Sollte er Ihr heute wirklich die Wahrheit sagen?

Schon wieder kreiste diese Frage in seinen Kopf. Und es gab wieder kein Entrinnen. Die Wärme der Bettdecke hüllte seinen Körper wohlig warm ein und er war versucht nochmals in seinen Traum zu gleiten, ohne diese eine Frage. Langsam drehte sich sein Körper, zwischen den Fingern klammerte sich die wärmende Decke und für einen Bruchteil einer Sekunde, die wie stunden verging, glitt er wieder in die schützende Wärme des Traums. Doch bald darauf begannen diese Gedanken wieder in seinem Kopf  zu kreissen. Sollte er Ihr heute wirklich die Wahrheit sagen? Was waren den die Alternativen? Hatte er überhaupt welche?Auf der Seite liegend dachte sein Hirn alle Möglichkeiten durch, ohne dass sich Pierre dagegen wehren konnte. Was hatte sich eigentlich verändert? Schliesslich war dieser Zustand für ihn, Pierre Heininger, keine neue Situation. Er kannte ja all diese Gefühle, die Fragen die sich in seinem Kopf drehten, wenn er aufwachte. Also eigentlich nichts Neues! Und doch war es an diesem nassen Aprilmorgen anders als sonst. Seine Selbstsicherheit war nicht mehr dieselbe.  Er spürte auch sein Alter in seinen müden Knochen und die Vorstellung daran, schon wieder einen Tag heile Welt vorzuspielen wiederstrebte ihm bis ins Innerste! Also lieber erst gar nicht aufstehen, dachte er und hüllte sich wieder in die wohlige Wärme der Decke ein.

Tropf, topf, gluck, gluck, tönte es von draussen.

Als kleiner Junge hatte er immer davon geträumt und es auch immer wieder tief in sich gespürt, er war etwas Spezielles. Nicht gleich wie alle anderen. Sensibler, Wissender um seine Person und ihre speziellen Fähigkeiten. Okay vielleicht etwas ängstlicher als andere seiner Mittschüler, aber trotzdem, er, Pierre, war etwas Spezielles!

Und  dabei ertappte er sich, wie er gar nicht mehr schlief sondern wieder an dieser Frage herum studierte. Sollte er ihr heute wirklich die Wahrheit sagen?

Die Gedanken kreisten mit einem bitteren Nachgeschmack. Was war von seiner Jugend übrig geblieben? Ja, heute war er etwas Spezielles. Etwas sehr spezielles. Er, Pierre Heiniger, hatte sich seine Gefühle bewahrt und auch an sich geglaubt. Nur das Leben um ihn herum war an allem schuld! Darin war er sich sicher.Er spürte die Wärme der Decke die ihn umhüllte und seinen älter werdenden Körper. Dieser, war ja immer noch derselbe. Oder zumindest fühlte sich immer noch gleich an, wie in seiner Jugend.

Jäh wurde er, durch das schrille Geräusch des klingelnden Telefons, aus seinen Gedanken gerissen! Nur nicht reagieren, Dorothea wird schon abnehmen, dachte er und weigerte sich, sich zu bewegen! „Verdammt geht denn da niemand ran“ murte er missmutig vor sich hin. Träge bewegte Pierre, nach dem fünften klingeln, seinen massigen Körper aus der Rückenlage zur Seite, so dass er mit dem rechten Arm zum Telefon neben dem Bett greifen konnte. „Ja“ antwortete er mit verschlafener Stimme. Er schien die Stimme auf der anderen Seite der Leitung gut zu kennen, da sein Verstand die Situation sofort begriff und die richtigen Antworten ohne wesentliches Zutun seinerseits aus seinem Mund in das Telefon flossen. „Ja, ich bin in einer halben Stunde im Geschäft! Also bis dann. Äh, wie spät ist es eigentlich“?

*

Es war genau Acht Uhr Dreissig, als ein junger Mann, leichtfüssig durch die Lauben Richtung „Ziitgoggen-Turm“ schlenderte. Schon wieder Arbeiten, schoss es im durch den Kopf, als er am Ende der Marktgasse, rechts beim Kaffee (Eldorado=wie heisst dieses Kaffe?) vorbei kam. Nur noch schnell einen Kaffee, dachte er und steuerte geradewegs in das noch halb geschlossene Kaffee, direkt an die Bar. Die Stühle waren noch hochgestellt und der Plattenboden glänzte noch hell vom nassen aufnehmen. Beschäftigt mit dem auffüllen der Kaffeemaschine, drehte sich ein schlaksiger, käseblasser Mitzwanziger in komplett schwarzem Outfit, wiederwillig um. „Ist schon geöffnet“? fragte er mit bestimmter Stimme. „Nein eigentlich erst um Neun! Aber wenn du hier bist, was möchten du den“? Duzte ihn der Schlaksige, was wohl in dieser Szene so üblich war. Einen Espresso, „winerisch“ entglitt es dem Marokkaner, der leise hoffte dass sein „Spruch“ auch in seinem nicht ganz reinen „Berndütsch“ gut ankommt. Wienerischen Espresso? Das haben wir nicht. Nur normalen. Irritiert durch die Reaktion des „Schlaksi“ korrigierte er sich. „Einen Espresso, wie er ist“ hätte ich gerne. Nun verstand der Schlaksige, zog demotiviert seine Maulecken etwas hoch, um ihm zu verstehen zu geben, dass auch er den Spruch verstanden hatte und wiederholte „Einen Espresso ohne etwas“. Von diesem Platz aus hatte man wirklich die beste Aussicht, um die heutige Tages-Konkurrenz in Augenschein zu nehmen, dacht der junge Marokkaner und zählte leise vor sich hin. Eins: Vor dem Mac Donalds installierte sich gerade ein etwa sechzig jähriger Pole, den er hier noch nie gesehen hatte, doch die Masche mit dem Akkordeon war ja nicht gerade neu! Zwei: Etwas weiter auf dem Kornhausplatz erspähte er eine kleine, rundliche Frau, Kopftuch, Schürzte und einen kleinen Jungen an der Hand. Immer diese Mitleidsmasche, dachte er, als die beiden neben der Tramhaltestelle niederknieten. Fast Automatisch glitt seine rechte Hand in die Jackentasche und er spürte seine über alles geliebte Mundharmonika. Mit lautem scheppern wurde die Espressotasse auf die schwarze Marmor Teke gestellt und der schlaksige verlangte mit gepresster Stimme „Drei Franken Achtzig“. Seine Finger grübelten direkt neben der Mundharmonika eine 5-lieber hervor und legten diesen auf den schwarzen Marmor. Mit einem leichten stöhnen, dass kaum als dieses hörbar war, öffnete der schlaksige die weinschublade, genau vor sich und holte das Portemonnaie daraus heraus. Demonstrativ kramte er lange im „Münz“  herum, als ob dieser „schmuddelige“ Ausländer, Ihm kein Trinkgeld geben könnte“?

Doch es half alles suchen nichts, er kramte ein Franken zwanzig hervor und legte sie mit fragendem Ausdruck auf den Tressen. Doch statt eines „ist schon gut“ fragte der Marokkaner noch ob er für den „einfränkler“ zwei „füfzgi räppler“ haben könnte!

Entsetzt von solcher Kleinlichkeit, zu dieser frühen Morgenstunde, wechselte der Schlaksige im diese Münze in zwei kleinere und entfernte sich, innerlich murrend und augenblicklich von dieser unmöglichen Person. Mit dem Blick auf dem Wechselgeld, nahm er den ersten Schluck aus der Tasse und spürte den bitteren Geschmack dieses Lebenselixiers. Sein heutiges Arbeitsgeld in einen guten Start investiert dachte er!

Hatte Ihm Pepino nicht ausführlich eingebläut, beim Beginn der Arbeit immer grosse Münzen in der Bettel-schalle zu haben! Nach Pepinos langfädigen aussagen zu folge, und diese waren immer sehr ausführlich, beginnt man mit gossen Münzen erfolgreicher zu Betteln. Die Leute glauben, dass diese Musik gut sein muss, wenn schon jemand ein 5 Franken Stück dafür gegeben hat! Und Pepino konnte dies mit unzähligen Anekdoten aus seine Zeit an der „Bettelfront“, sogar aus mehreren Städten, den die Organisation war International organisiert, reichlich und lebendig belegen, was dem Marokkaner so auf die Nerven ging, dass er Pepinos Ratschläge erst recht nicht befolgen mochte. „Scheiss auf Pepino“, dacht er und konzentrierte sich wieder auf das beobachten des Platzes und der sich darauf platzierenden Bettler. Den zweiten und letzten Schluck liess er leise im Mund hin und her schwappen und sein Blick blieb auf der Uhr am „zitglocken“ hängen. Was schon viertel von Neun! Nun aber los dachte er und mit kräftigen Schritten verliess er das Kaffee, trat unter die Lauben und wendete sich Richtung Marktgasse. Gerade als er losgehen wollte, kam ein kleiner Junge in zerlumpten Kleidern den „schluach“ hinunter. Der Marokkaner kannte Ihn sofort. Das war doch Petrie. Dieser scheiss Pole macht ihm immer seinen Stammplatz streitig! Also los!

Er kehrte um und rannte im Laufschritt Richtung Casinoplatz. „Petri hat mich nicht gesehen“, dachte er und ging in Gedanken die Route durch die er nehmen wollte. Über den Platz, links in die Hotelgasse und dann rechts in die Münstergasse, ja das mache ich. Seine Beine trugen Ihn schnell voran und mit grossen Schritten kam er in die Hotelgasse. Die Pflastersteine fühlten sich beim ersten betreten „schliffertig“ an. „Es hat heute Nacht geregnet dachte“ er noch, bevor es Quietschte. Überrascht drehte er den Kopf in Richtung Geräusch, die Motorhaube des scharf bremsenden Mercedes, nur noch Millimeter von seinen Kniescheiben entfernt, riss er die Augen ängstlich auf! Der Aufprall war nur kurz. Er spürte wie seine Füsse den Boden verloren und der Körper auf der Motorhaube aufschlug, dann wurde es schwarz um ihn, als ob die Nacht in Sekunden schnelle um ihn herum angebrochen wäre! Viele der Passanten nahmen den schwarzen Mercedes erst nach dem quietschen und dem dumpfen Aufprall, war. Eine ältere Dame, die vor Schreck ihre Einkaufstasche fallen gelassen hatte, sah nach dem blutenden jungen Man auf der Strasse. Im selben Augenblick rollten Ihre frischen Schweizer Äpfel über die Pflasterung und das rot der Früchte mischte sich mit dem rot des ausfliessenden Blutes.

„Scheisse auch das noch“, dachte Pierré Heiniger, als der Wagen endlich zu Stehen kann.

„Was für ein Idiot“, fluchte er vor sich hin und seine Hände suchten zitternd nach dem Türöffner. Als seine Schuhe das Kopfsteinpflaster berührte spürte es sofort die Nässe, die noch darauf sass und er dacht unweigerlich an die Geräuschkulisse, die Ihn beim Erwachen begleitet hatte. Ja, es hatte Geregnet! Als kurzer Gedankenblitz schoss ihm die Konsequenz daraus durch den Kopf. Auch die Geschwindigkeit, mit der er seinen Mercedes vom Casinoplatz in die Hotelgasse gelenkt hatte, 50 Km/h, tauchte als kurzes Bild des Tachos vor seinem geistigen Auge auf.  Seine ersten Schritte nach dem Umfall fühlten sich noch weich und unsicher an. Er hatte Mühe sich aufrecht zu halten und seinen massigen Körper in Schwung zu bringen. Die Motorhaube seines SLK kam ihm endlos lange vor und das erste was er sah war Blut! Eine Unmenge von Blut! Er war sich diesen Anblick nicht gewohnt. Er, der sich nur mit den schönen Dingen des Lebens umgab und Schmückte. Designiert blieb er vor der Motorhaube stehen und sah ungläubig, wie in Zeitlupe dem Treiben um Ihn herum, zu. Mehrere der Passanten hatten sich aus der Masse der Anonymität gelöst und einer von Ihnen beugte sich über den jungen Mann am Boden. Langsam hob er seinen Kopf an und redete auf Ihn ein: „Können sie mich hören?“ wiederholte dieser fasst mechanisch mehrere Male. Dann sah er zur herumstehenden Menschenmenge hoch und dann zu Pierre herüber. „Rufen sie einen doch schnell einen Krankenwagen“! Doch Pierre reagierte nicht. „Rufen sie eine Krankenwagen“ wiederholte der andere nun mit energisch lauter Stimme und er wiederholte diesen Satz gleich nochmals, bis er sah, dass sich Pierre wirklich bewegte und mit tapsigen Griffen in seinem makellosen Sakko nach dem Mobiltelefon kramte. Wenige Minuten später brausten die Ambulanz an und etwas danach die Polizei. Reges Treiben, viele schaulustige wurden freundlich aber bestimmt von den Polizeibeamten hinter die errichteten Absperrungen gewiesen und die Mühlen des Gesetzes nahmen unweigerlich ihren Lauf. Doch dieses Mal wurde er, Pierré Heiniger gemahlen! Er der sein Leben „nur mit den schönen Dingen des Lebens“ umgab, geriet an diesem normalen Freitagmorgen, unaufhaltsam in die Mühlen des Gesetzes!! „Geht es Ihnen gut?“ fragte eine adrett gekleidete, blonde Beamtin der Berner Stadtpolizei, freundlich. „Geht es Ihnen gut? „ wiederholte sie etwas bestimmter in ihrer Stimme, als Pierre auf die erste Ansprache nicht reagierte!? „Ja es geht“ antwortete er gepresst, doch die Unwirklichkeit dieser Szene war ihm sehr fremd. „dann folgen sie mir bitte, dass Unfallprotokoll wird in diesem Wagen aufgenommen“!

Unwirklich setzt sich sein Körper in Bewegung. Genau in diesem Moment streifte sein Blick Ihre Hand, die bestimmt einladend auf den am Eingang der Gasse parkierten VW- Busse wies. Für einen Bruchteil einer Sekunden blinkte einen Goldglänzenden Ring mit kleinen Brillanten auf, der an Ihrem Ringfinger war. Pierre  Heiniger wurde kurz, während des Erhebens von der Motorhaube seines Wagens, bewusst, in was für einer anderen Welt er sich normalerweise bewegte. All die schönen Dinge, inklusive farbener Edelsteine blitzen vor seinem geistigen Auge auf. Nach etwa zwanzig Schritten hatten sie den parkierten Busse, auf der linken Seite der Hotelgasse erreicht und mit einem betonnt kräftigen Schritt versuchte Pierre Heiniger, bewusst bestimmt, den Untersuchungsbeamten im Inneren des Busses zu begegnen!

„Diamonds are the girls best friends“ hauchte eine lasziv und leicht verrauchte Stimme, undeutlich! Verdammt was soll das denn sein, dachte einer der beiden Beamten im Busse, als er die flüsterleise Stimme von Marilyn Monroe hörte. Und nochmals:“ „Diamonds are the girls best friends“ hauchte es aus dem Sakko von Pierre Heiniger! Vorbei war es mit der „Coolness“ die er sich für diesen Schritt in diesen besagten VW-Busse vorgenommen hatte. Er blieb mit einem Fuss auf der Stufe stehen und suchte verlegen, schnell in seiner Sakkotasche nach seinem Natel um diese unpassende Stimme zum Schweigen zu bringen!!Dann betrat er den Polizeiwagen.

*

Inzwischen war über eine halbe Stunde verstrichen und vom Münster her hörte man die Glocken halb Zehn schlagen. Während dessen wurde der leblose Körper des jungen Marokkaners mit doppelter „Man Power“ auf die Sanitätsbare gehoben und festgeschnallt.

“Many makes the world go round“, in der gerappten Version ertönte, als der Kopfseitig  beschäftigte Sanitäter die Gurte fest zurrte. Sehr erstaunt schauten sich die zwei Sanitätsbeamten an, bevor ihnen in den Sinn kam, dass dies die Melodie eines Händis war. Auch der daneben stehende Polizeibeamte hörte mit, drehte sich zu dem Verletzten um und griff diesem kurzerhand in die Jackentasche, wo er das Natel sofort spürte und mit einem Ruck ans Tageslicht holte. Das Display zeigte den Namen:“Pepino Arbeit“ an und darunter die Händinummer, 076 332 55 89. „Unfalldienst, mein Name ist Andermatt Dänu, Polizeibeamter der Stadt Bern“, meldete sich der Beamte und fragte freundlich „mit wem spreche ich“? „Hey du kein scheiss, man“ tönte es aus dem Gerät und „hast du deine verdammte Stelle schon belagert“? Der Beamte nahm des gerät ungläubig vom Ohr, schaute aufs Display und drückte es wieder ans Ohr. „Sie haben wohl nicht richtig verstanden“ formulierte er höfflich „Hier spricht der Polizeibeamte Andermatt Daniel vom Umfalldienst der Stadtpolizei Bern! Und wer sind sie“? Augenblicklich riss die Verbindung ab. Geistes gegenwärtig drückte der Beamte, aus dem Menü Protokoll, eingehende Anrufe die letzte Nummer und lauste, doch es kam nur die freundliche Stimme der Swisscom Dame, die ihm Mitteilte das der gewünschte Mobilteilnehmer zur Zeit nicht erreichbar sei!!

*

„Na dann erzählen sie mal ihre Variante“ sagte der jüngere Beamte zu Piere, während dessen der andere damit beschäftigt war das richtige Formular hervor zu kramen. Da von Piere keine Reaktion auf die Frage kam, holte der Beamte lautstark Luft und sagte:“ Dann beginnen wir halt mit den Personalien! Ihren Vollständigen Namen und die Anschrift! Und nach einer kurzen Pause „Bitte.“ Pierre Heiniger, Hausmattweg 46, 3074 Muri bei Bern, purzelte es mehr mechanisch als persönlich aus seinem Mund und erst mit dem sprechen begriff Piere, wie sehr er durch diesen Zwischenfall die Fassung verloren hatte! Dies war doch sonst nicht seine Art, er, der immer alles unter Kontrolle hatte! Was hatte ihn an diesem lächerlichen Unfall so getroffen? Vor seinem geistigen Auge lief alles nochmals in Zeitlupe ab. Das einbiegen in die Hotelgasse, der Blick auf den Tacho, das aufschauen und den Mann sehen, dass erschrockene bremsen, der Aufprall, eine Schritte entlang des Autos und der erste Blick auf den blutenden jungen Mann am Boden. Das Blut, tief rot, das sich gemächlich auf dem Kopfsteinpflaster seinen Weg entlang den Ritzen suchte und die Sonne, die diese rote Farbe intensiv schimmern liess! Es war dieses tiefe rot des Blutes, das ihn so berührte. Er kannte dieses Gefühl der völligen Lähmung, oder sollte er besser Faszination sagen, von den Rubinen her. Auch diese haben eine so intensiv rote Farbe, zwar nur in der besten Qualität, aber Piere hatten nur mit diesen Steinen zu tun, und in diese intensiver Farbe konnte er richtiggehend eintauchen! Nur dieses Mal war es anders, viel Intensiver, willenloser und betäubender! Dieses Blutrot so schwer in der Farbe wie ein erdiger Rioja, so zähflüssig in der Konsistenz wie glühende Lava und doch von einer solchen Leuchtkraft, als wäre dies das Elixier des Lebens! Oder war dies wirklich das Elixier seines Lebens! Dies war es, was ihn, Piere Heiniger so aus der Bahn geworfen hatte! Nicht der Unfall an und für sich, oder der Mensch, der durch Ihn zu Schaden gekommen war, nein, es war einzig und allein die Intensität dieser, für ihn unbegreiflichen Farbe! Farbe, Farbe, Farbe hallte es in seinen Gedanken nach und er sah nur noch Rot! Blutrot! Ein feines Lächeln huschte bei dieser Erkenntnis über seine Lippen und in seinem Körper, kehrte die wohlige Wärme, die er beim Erwachen verloren hatte, wieder zurück. In seinem Kopf vergingen scheinbar Stunden bis er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte! Aber in der Realenwelt, in diesem VW-Bus, in der Hotelgasse waren das nur Bruchteile einer Sekunde und der Beamte war gerade fertig mit Name und Adresse und verlangte mit bestimmter Stimme, Fahrzeugausweis und Führerschein!Alles was jetzt kam, war für ihn Piere Heiniger nicht mehr so wichtig, denn er hatte diese Erkenntnis erlangt und dies liess ihn sicher sein das es dieses ganze Prozedere wert war! Rot, Blutrot! Diese sogenannte Prozedere dauerte alles in allem mehr als drei Stunden und so bestellte er sich nach dem Blutnehmen im Tiefenau Spital, ein Taxi. Dieses brachte Ihn zurück in die Innenstadt, durch die Hotelgasse und lud Pierre schliesslich in der Krammgasse 16, um 13 Uhr, ab.

*

Der Marokkaner, wurde in die Notfallstation in das Inselspital gebracht und mit Verdacht auf Schädelbruch geröntgt, was allerdings nicht ergab! Ein gebrochener Oberschenkelknochen und eine grosse Platzwunde am Kopf, aus der er heftig geblutet hatte, sonst fehlte ihm nichts weiter. Nur die Polizei tappte im Dunkeln, was die Identität dieses Mannes anging. Er trug keine Papiere auf sich, er lag im Koma und auch die ihm abgenommenen Fingerabdrücke waren in keiner Datenbank zu finden! Also ein Namenloser Marokkaner, um die zwanzig Jahre alt mit einem Franken fünfzig, einem nicht registrierten Natel und einer Mundharmonika in der Tasche. Diese Tatsache spielte aber im Moment noch keine grosse Rolle, da der Patient nicht ansprechbar war und daher die Ermittlungsbeamten noch nichts unternehmen konnten.

 

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